Berufliche Mobilität, verstanden als alle berufsbezogenen Wechsel von Lehrkräften, wird vor dem Hintergrund des Lehrkräftemangels international intensiv erforscht (für einen Überblick zur Forschung vgl. Sandmeier, Gubler & Herzog, 2018). Die Fragen, wohin und warum Lehrpersonen beruflich mobil sind und wie man den Verbleib von Lehrkräften fördern kann, hat für die Steuerung von Bildungssystemen, die Bildungspolitik und die Leitung von Schulen unmittelbare Relevanz.
Basierend auf arbeits- und organisationspsychologischen Theorien geht die Studie davon aus, dass wahrgenommene berufliche Belastungen und Ressourcen die individuelle Einschätzung beeinflussen, im „richtigen“ Beruf bzw. in der „passenden“ Schule zu sein. Dieses Gefühl der Eingebundenheit in Beruf und Schule ist ein wichtiger negativer Prädiktor von Kündigungsabsichten (Mitchell et al. 2001; Ng und Feldman 2007). Ausgehend von der Job Demands-Resources Theorie von Bakker und Demerouti (2014) postulieren wir, dass Ressourcen die Eingebundenheit fördern und zu hohe Anforderungen sie negativ beeinflussen.
Arbeitsanforderungen sind Aspekte einer Arbeit, die physische und/oder psychische Anstrengungen erfordern und daher mit Kosten verbunden sind. Arbeitsressourcen sind Aspekte im beruflichen Umfeld (u.a. Unterstützung, Autonomie, Entwicklungsmöglichkeiten) oder bei der arbeitenden Person (professionelle Kompetenzen), die helfen Anforderungen zu bewältigen und die Eingebundenheit, die Gesundheit und die Motivation fördern können.
In Abbildung 1 ist das vereinfachte theoretische Modell der WahLiS-Studie dargestellt. Es folgt der Annahme von Hom et al. (2012), dass einer Kündigung ein Prozess vorangeht, der sich über die Zeit entfaltet: Sind berufliche Anforderungen und vorhandene Ressourcen in einer Disbalance (Über- oder Unterforderung) kann dies negative Auswirkungen haben auf die Eingebundenheit und das berufliche Wohlbefinden. Dies wiederum kann zu Kündigungsabsichten bzw. tatsächlicher Kündigung führen, je nach Person und Umständen.
Der Kontext beeinflusst den individuellen Entscheid zu kündigen nicht einfach direkt, sondern in Interaktion mit innerpsychischen Faktoren (Herzog, Herzog, Brunner & Müller, 2007). Das bedeutet, dass dieselben kontextuellen Bedingungen je nach Individuum, dessen Zielen, Eigenschaften oder Überzeugungen unterschiedliche Auswirkungen auf die berufliche Mobilität haben und das Individuum wiederum mit seinen Entscheidungen zurückwirkt auf den Kontext.
Literatur
Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2014). Job Demands–Resources Theory. In Wellbeing (S. 1–28). American Cancer Society.
Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2007). The job demands-resources model: state of the art. Journal of Managerial Psychology, 22(3), 309–328.
Herzog, W., Herzog, S., Brunner, A., & Müller, H. P. (2007). Einmal Lehrer, immer Lehrer? Eine vergleichende Untersuchung der Berufskarrieren von (ehemaligen) Lehrpersonen. Bern: Haupt.
Hom, P. W., Mitchell, T. R., Lee, T. W., & Griffeth, R. W. (2012). Reviewing employee turnover: focusing on proximal withdrawal states and an expanded criterion. Psychological Bulletin, 138(5), 831–858.
Mitchell, T. R., Holtom, B. C., Lee, T. W., Sablynski, C. J., & Erez, M. (2001). Why people stay: Using job embeddedness to predict voluntary turnover. Academy of Management Journal, 44(6), 1102–1121.
Ng, T. W., & Feldman, D. C. (2007). Organizational embeddedness and occupational embeddedness across career stages. Journal of Vocational Behavior, 70(2), 336–351.
Sandmeier, A., Gubler, M., & Herzog, S. (2018). Berufliche Mobilität von Lehrpersonen – Ein strukturierter Überblick über das Forschungsfeld. Journal for Educational Research Online, 10(2), 54–73. Download