«Dürfen noch Weihnachtsfeiern gemacht werden?» «Wie soll das Thema ‘Religion’ seinen Platz in der Schule haben?» – Solche und ähnliche Fragen tauchen immer wieder auf. «Religion» wird dabei nicht selten zu einem emotional aufgeladenen, diskussionsstarken Thema.
Kirchlicher Religionsunterricht
Der bisherige Umgang mit dem Thema schien lange Zeit klar zu sein. Für den Kanton Schwyz galt, dass die anerkannten Konfessionen das Thema bearbeiteten. Grundlage dazu ist die Glaubens- und Gewissensfreiheit, welche sich in den entsprechenden gesetzlichen und schulorganisatorischen Bestimmungen konkretisiert. Diese in der Bundesverfassung garantierte Freiheit wird dabei in einer zweifachen Ausrichtung interpretiert. Einerseits in ihrer negativen Intension, was bedeutet, dass niemand gezwungen werden darf, einer religiösen Gemeinschaft anzugehören. Andererseits in ihrer positiven Intension, dass alle das Recht haben, einen religiösen Kult zu praktizieren und einen religiösen Unterricht zu besuchen. Gesellschaftspolitisch war man sich einig, dass die Schule als gesellschaftlicher Ort den Kirchen deshalb Raum und Zeit für ihren Religionsunterricht zur Verfügung stellen, damit diese positive Intension ermöglicht werden kann, ohne jedoch jemand dazu zu verpflichten, diesen Unterricht besuchen zu müssen. Und dies gilt bis heute und auch weiterhin.
Schulischer Religionsunterricht
Mit der Einführung des neuen Lehrplans 21 kommt für den Kanton Schwyz eine zweite Perspektive dazu. Im Fach «Mensch-Natur-Gesellschaft NMG» ist die Fachperspektive «Ethik-Religionen-Gemeinschaft ERG» für den Zyklus I und II als integrierte Fachperspektive, für den Zyklus III im Rahmen des Faches «Lebenskunde» gesetzt. Damit übernimmt der Staat nebst der ethischen Bildung auch für den Aufbau von Kenntnissen über verschiedene Religionen Mitverantwortung. Der Grund liegt auf der Hand. Durch die zunehmende Globalisierung und Medialisierung ist das Thema präsent. Es entwickelte sich in den vergangenen 20 Jahren das Bewusstsein, dass Kenntnisse über Religionen ein wesentlicher Beitrag zur kulturellen und gesellschaftlichen Verständigung leistet. Es ist heute unbestritten, dass kulturelle Gegebenheiten ohne den Einbezug religiöser Phänomene nicht mehr beschrieben werden können. Und letztlich bietet die Auseinandersetzung und die Kenntnisse über religiöse Phänomene eine wichtige Grundlage für ein respektvolles, tolerantes und menschwürdiges Zusammenleben. Es gilt dabei, Religion als kulturelles und existenzielles Phänomen wahrzunehmen und im gegenseitigen Austausch wertschätzend zu interpretieren. Die Grenze dabei sind intolerante und fundamentalistisch geprägte Deutungen, die als solche durchschaut und entsprechend auch thematisiert werden. Mit dieser Ausrichtung leistet das Fach auch einen Beitrag zu den Grundlagen des Lehrplanes 21, welche unter anderem unter den Zielen der Volksschule formuliert sind. Dieser Unterricht über Religionen und Ethik wird von der staatlichen Lehrperson, vorzugsweise von der Klassenlehrperson, erteilt. Er ist verpflichtender Teil innerhalb der Fachperspektive ERG des Faches Natur-Mensch-Gesellschaft für den Zyklus I und II oder im Fach Lebenskunde im Zyklus III. Damit bekommen alle Schülerinnen und Schüler unabhängig ihrer eigenen religiösen Konfession die Möglichkeit, die entsprechenden Kenntnisse und Haltungen aufzubauen.
Ausrichtung des schulischen Religionsunterrichts
Aus religionspädagogischer Perspektive wird ein «teaching about religion» umgesetzt. Damit gemeint ist der systematische Aufbau eines religionskundlichen Wissens, das mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler in Verbindung steht. Durch die entsprechende Kompetenzorientierung bauen die Schülerinnen und Schüler die entsprechenden Fähigkeiten und Fertigkeiten auf, religiöse Phänomene in ihrer Mitwelt wahrzunehmen, diese zu erschliessen, um sich in der Welt zu orientieren und letztlich eine konstruktive, tolerante und respektvolle Haltung aufzubauen, die ihr Handeln im Alltag und in der Begegnung prägt.
Im entsprechenden Kompetenzbereich NMG 12 für den Zyklus I und II oder in den Kompetenzen ERG für den Zyklus III werden inhaltlich aus religionswissenschaftlicher Perspektive verschiedene Dimensionen bearbeitet. Dabei bilden die Dimensionen der Feste/Rituale, der religiösen Texte und Mythen sowie ihrer Manifestation in Architektur, Kunst und heiligen Orte wie auch die Auseinandersetzung vom Phänomen «Religion» in unserer heutigen Gesellschaft wichtige Zugangsweisen.
Aus- und Weiterbildungen
Das neue Fach, respektive die neue Fachperspektive «Ethik-Religionen-Gemeinschaft», erfordern von Lehrpersonen, dass sie über ein solides lehrplanorientiertes fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Wissen verfügen. Das sind hohe Anforderungen, die leicht gesagt, aber vielleicht dann doch schwieriger umsetzbar sind. Damit dieses Wissen aufgebaut werden kann, werden in der Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule Schwyz ein verpflichtendes sowie ein zusätzlich wählbares fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Modul angeboten. Im Modul «Interreligiöses Lernen» steht dabei der Kompetenzbereich NMG 12 und im Wahlpflichtmodul «Ethische Erziehung» der Kompetenzbereich NMG 10 und 11 im Zentrum, wobei die entsprechende didaktische Mehrperspektivität umgesetzt wird.
In der Weiterbildung für Lehrpersonen bestehen entsprechende Angebote für die praxisorientierte Einführung des Lehrplans. Die neue Fachperspektive «ERG» wird in ihrer didaktischen und fachwissenschaftlichen Ausrichtung aufgezeigt sowie die entsprechenden Lehrmittel und Unterrichtsumsetzungen vorgestellt. Für Lehrpersonen des Zyklus III finden seit 2 Jahren die verpflichtenden Einführungskurse für den Lehrplan ERG und Berufliche Orientierung statt. Damit verfügen Lehrpersonen über die Voraussetzung, weiterhin als Klassenlehrperson tätig sein zu können.
Zwei Missverständnisse
Oft besteht eines von zwei Missverständnisse. Einerseits geht man davon aus, dass die Kirchen ja den Religionsunterricht machen, deshalb ERG für die Lehrpersonen nicht gilt. Oder andererseits, dass nun die Lehrpersonen ERG umsetzen und deshalb die Kirchen ihren Unterricht nicht mehr machen. Beides ist nicht korrekt. Es bestehen zwei Schienen, der kirchliche Unterricht und der schulische ERG-Unterricht.
Religion in der Schule
Im konkreten Umfeld der Schule ergeben sich immer wieder Fragen, wie man mit «Religion» konkret umgeht. Darf man noch Weihnachtsfeiern machen? Dürfen Christbäume aufgestellt werden? Darf man Kinder aus religiösen Gründen von Schulveranstaltungen dispensieren? Da besteht nicht selten eine gewisse Unsicherheit. Die ist verständlich, denn letztlich steht die Schule auf der Basis der Religionsneutralität. Dieser Neutralitätsanspruch widerspricht aber nicht einer gelebten kulturellen Tradition. Es ist durchaus im Sinne des Staates, dass religiöse Traditionen gelebt werden können und auch dürfen. Anders scheint es im Zusammenhang mit Dispensationen zu sein. Aber auch hier gilt im Grundsatz die Regelung, dass der Bildungsauftrag erfüllt sein muss. Widerspricht dieser bestimmten religiös-begründeten Perspektiven, muss im Einzelfall eine Lösung gefunden werden. Hilfreich dazu sind entsprechende Aussagen des Dachverbandes der Schweizer Lehrinnen und Lehrer oder auch kantonale Leitfäden. Damit sollen konstruktive Lösungen im Einzelfall oder für eine Schule gefunden werden, ohne dabei in eine unnötige Eskalationsdynamik zu verfallen.