Judentum – kulturhistorische Innovationen

Betrachtet man die Welt vor 3000 Jahren, waren es die grossen Kulturen der Ägypter oder Mesopotamier, welche bekannte kulturelle Höhepunkte darstellten. Die beiden Hochkulturen bildeten geografisch den fruchtbaren Halbmond. Zeitgemässe Verwaltungen, militärische Stärke, eine ausgebaute Landwirtschaft und arbeitsteilige Städtekultur bildeten die Grundelemente. Das gesellschaftliche Ordnungsprinzip war nebst einer starken gesellschaftlichen Struktur auch von religiös-kosmischen Vorstellungen geprägt.

Und in diesem Umfeld sollte sich nun eine religiös-gesellschaftliche Strömung herausbilden, die in nomadischer oder halbnomadischer Struktur entstand. Mythen und Legende bildeten dabei die identitätsstiftenden Elemente, in denen sich eine erste Transformation bestehender Gottesbilder entwickelten. Das in den religiösen Kulten praktizierte Verständnis des Tun-Ergehens-Zusammenhangs wurden erste Vorstellungen konstruiert in Richtung eines Bundesgottes umgeformt. Und die Idee eines einzigen Gottes nahm erste Konturen an.

Nach der Staatenbildung im 1. Jth. v. Chr. war es der Tempel in Jerusalem, der das kultisch-gesellschaftliche Zentrum bildete. Das Judentum hatte zum ersten Mal ein Zentrum (Tempel), eine einheitliche politische Struktur (König) und eine territoriale Grösse (Land) und war damit anschlussfähig an die kulturellen Begebenheiten der Zeit – dies für 100 Jahre.

Danach brach das Reich auseinander, die beiden nun bestehenden Teilreiche (Süd- und Nordreich) waren hineingezogen in die Grossmachtspolitik der umliegenden Reiche der Ägypter und Mesopotamier und später Babylonier.

Im Jahre 622 v. Chr. geschah nun etwas Erstaunliches. Der Tempelbetrieb von Jerusalem (Südreich) wurde reformiert und die Anbetung des einen Gottes Jahwe würde gestärkt. Dies im Sinne der Monolatrie, also der exklusiven Anbetung des Gottes Jahwe, neben andern, weniger wichtigen Göttern.

Und dann die Katastrophe: Aufgrund von grossmachtpolitischen Begebenheiten wurde die Stadt Jerusalem endgültig im Jahr 587 v.Chr. von den Babyloniern zerstört, der Tempelschatz geraubt und das Establishment nach Babylon geführt. Kapital- und Wissenstransfer in Reinkultur. Und in der Megacity Babylon, einem Ort, wo es sich leben liess, hatte dieses jüdische Establishment ihre Zukunft. Aber nicht für alle: Eine Gruppe von Tempelpriestern wollte sich nicht mit der Situation abfinden. Und die Frage stellte sich: Warum ist uns das passiert? Der Kult am Tempel wurde durch die Reform richtig vollzogen, die Anbetung Gottes hat man redlich gemacht. Und nun diese Katastrophe! In der Logik der Zeit hätte man selbstverständlich den Gott gewechselt. Einen gesucht, der hilft. Aber in diesem Exil in Babylon vollzogen die jüdischen Priester etwas Sonderbares:

Sie stärkten die alleinige Stellung des Gottes Jahwes (Monotheismus) und motorisierten die in den Mythen und Legenden schon angelegte Vorstellung, dass dieser Gott von allem Anfang beim Menschen ist und nicht erst durch einen Kult mit den Menschen in Verbindung tritt. Der Bundesgedanke ist geboren. Und dieser Gott ist ein befreiender Gott. Und nun wurden alle alten Mythen und Legenden neu geschrieben und als Resultat steht die Tora – die fünf Bücher Moses.

Hier liegt wohl einer der grössten kulturellen Leistungen verborgen, welche die Welt nachhaltig prägen sollte – bis in unsere Gegenwart.

Mit dem Perserkönig Kyros, der fünfzig Jahre später die Weltbühne betritt, änderte sich die Lage der Juden in Babylon grundlegend. Im Kyrosedikt wurden alle Sklaven frei, die kulturelle Eingliederung hatte ein Ende.

Für viele Juden bedeutete dies die Rückkehr in die alte Heimat, der Tempel in Jerusalem wurde ein zweites Mal im 5. Jh. V. Chr. aufgebaut. Er sollte Bestand haben bis zu seiner Zerstörung im Jahre 70 n. Chr. Ein neues Land galt es aufzubauen, mit all den Mitteln, die vorhanden waren. Eine Zeit des Aufbruchs. Aber auch ab dem 4. Jh. v. Chr. eine Zeit, in die das neue Weltbild des Hellenismus rund um das Mittelmehr aufkam. Mit Alexander dem Grossen wurde dieses Welt-Menschen- und Gesellschaftsbild weit hinausgetragen. Ein attraktives Weltbild – eine Städtekultur mit Theatern und öffentlichen Plätzen. Mit politischen Möglichkeiten und Orakelorten, ein Konglomerat aus Kult, Medizin und Wirtschaft (quasi Schoppingcenter, Wellnessoase, Spital und religiöse Kultort)

Dieser Hellenismus war für viele Juden brandgefährlich. Ja, im Tempel von Jerusalem wurden die griechischen Götter angebetet. Das war für gewisse jüdische Gruppierung zu viel des Guten. Im Jahr 167 v. Chr. formte sich eine jüdische-fundamentalistische Widerstandgruppe um die Familie der Makkabäer und wollte das «reine» Judentum einführen. Und: Sie hatten Erfolg. Der Tempel wurde enthellenisiert und die jüdische Vorstellungswelt des Monotheismus mit dem Gott Jahwe mit dessen rettender und befreiender Vorstellung wieder manifest. Aber dabei waren es nicht nur die Tora, die Grundstruktur und Identifikation schufen, sondern die neue Idee des rettenden Messias. Das himmlische Jerusalem sollte endgültig Bestand bekommen. Und so war im Judentum ab dem 2. Jh. v. Chr. bis ca. ins 2. Jh. n.Chr. diese Messiashoffnung virulent – oft stark, manchmal schwächer vorhanden.

Diese Messiashoffnung zeigte sich in drei sich unterscheidenden Modi. Der priesterliche Messias, als jener, der den Kult am Tempel wieder richtig vollzieht. Der politische Messias, welcher die gesellschaftlich-politischen Verhältnisse umstürzt oder der prophetische Messias, also jener, der die Gottesbeziehung in der Welt aufrecht hält. Es gab viele Figuren, die als Messias interpretiert worden sind. Einige kennt man, von anderen weiss man nichts.

Jener, der die grösste Wirkung zeigen sollte, wurde um das Jahr 7 – 4 v. Chr. geboren. Ein Mann aus Nazareth mit dem allgemein weit verbreiteten Namen Jesus. Es sollte Wegmarke für die Transformation des jüdischen Glaubens in hellenistischen Denkstrukturen werden. Die Idee des rettenden Bundesgott und des Monotheismus erlebten eine neue Perspektive.

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