Religion und Schule

Geht es um Religion, sind Interessen, Emotionen und Erfahrungen, oft aber auch Gleichgültig oder Teilnahmslosigkeit im Spiel. Geht es um Religion und Schule ist das nicht viel anders. Zwar gibt es gesetzliche Bestimmungen, welche das Verhältnis bestimmen. Sie sind Resultate von gesellschaftlichen Prozessen oder bildungstheoretischen Überlegungen. Und trotzdem stellen sich Fragen.

Um was geht es?

Die religiöse Bildung in der Schule will Kinder und Jugendlichen die religiös-kulturelle Wurzeln der Gesellschaft eröffnen. Sie will ihnen damit eine Brücke bieten, dass sie die eigene Welt wahrnehmen, erschliessen, deuten und in ihr handeln können. Religion und Kultur sind dafür wichtig. Dieser Grundsatz ist pädagogisch unbestritten und ist nicht in Frage gestellt.

Aber wie umsetzen?

Von den bildungspolitischen Vorgaben her ist die Sache geklärt. Es gibt zwei «Schienen», auf denen diese oben beschriebene religiöse Bildung passiert. Auf der einen Schienen «fahren» die staatlichen Lehrpersonen. Ihre Vorgaben und Unterstützungen erhalten sie im neuen Lehrplan 21, wo die fachperspektive Ethik-Religion-Gemeinschaft kompetenzorientiert im Rahmen des Faches Natur-Mensch-Gesellschaft MNG beschrieben ist. Dies gilt für die 1.-6. Klasse. In der 7.-9. Klasse wird ein eigenes Fach Ethik-Religionen-Gemeinschaft umgesetzt. Entsprechend werden neue Lehrpersonen an den pädagogischen Hochschulen für diese Fachperspektive ausgebildet. Erfahrenere Lehrpersonen können sich in Weiterbildungskurses für dies Fachperspektive fit machen. Es nehmen alle Kinder daran teil, egal welcher Religion sie oder ob sie gar keiner Religion angehören.

Auf der parallelen Schiene «fahren» die kirchlichen Lehrpersonen. Sie unterrichten einen kirchlichen Religionsunterricht. Er kann konfessionell oder ökumenisch sein. Die Grundlage für diesen Unterricht ist im neuen kirchlichen Lehrplan für Religionsunterricht und Katechese LeRUKa beschrieben. Es geht dabei um christlich orientierte Wertvermittlung und -entwicklung, um Identitätsbildung und um die Vermittlung der christlich-religiöser Weltanschauungen und Weltdeutungen in ihren reichen Fassetten in Geschichten, Kunst ober konkreten Lebensentwürfen von Menschen. Es geht nicht darum, Kinder und Jugendliche in eine bestimmte Kirche hinein zu sozialisieren. Es geht um die Vermittlung eines gesamtheitlichen Glaubenswissens als Beitrag zum Bildungsauftrag der Schule. Der Unterricht kann von Kindern der reformierten und katholischen Kirche besucht werden.

Die kirchliche Beheimatung findet in pfarreilichen oder gemeindlichen Feldern statt. Dort ist der Ort, wo Begegnungen, Erfahrungen und kirchliches Leben erlebt wird.

Wo liegen die Stolpersteine?

Verschiedene Stolpersteine liegen nun auf dem offiziell geklärten Platz von Religion und Schule. Ein erster, vielleicht gar nicht so im ersten Moment wahrnehmbarer, ist die Haltung der verschiedenen «Mitfahrer» auf den beiden Schienen. Da sind die kirchlichen Lehrpersonen, die ihren kirchlichen Unterricht nicht unbedingt vom Ansatz der Vermittlung eines «gesamtheitlichen Glaubenswissen» verstehen. Eher möchten sie den Unterricht so sehen, dass mit dem Unterricht eine Beheimatung in eine bestimmte Kirche möglich sein soll. Ob dieser Ansatz jedoch tatsächlich wirksam ist, bleibt offen. Es fehlt dabei oft auch, dass in den Pfarreien oder Gemeinden entsprechenden Angebote und Plattformen für die kirchliche Sozialisation und Beheimatung nur marginal oder gar nicht existieren.

Ein zweiter Stolperstein liegt bei den staatlichen Lehrpersonen. Für sie ist das Thema «Religion» – verständlicherweise aufgrund der Vielfalt ihres Auftrages – nicht zu oberst auf der pädagogischen «Traktandenliste». Kommt hinzu, dass sie selbst oft unsicher sind, was denn zu vermitteln ist. Oder ihnen kann auch das nötige Fachwissen fehlen, weil die schmal dotierte Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule für die Breite des Religionswissens, welches sich aus einer jahrtausend alten Welterfahrung ergibt, nicht ausreicht.

Ein dritter Stolpersteine können auch organisatorische Probleme sein. Der Fächerkanon der Volksschule ist sehr breit, die dazu zur Verfügung stehenden Zeitgefässe aber nicht selten sehr beschränkt. Die Frage stellt sich, wie staatliche Lehrpersonen ihren Teil der religiösen Bildung in dieser Situation umsetzen können.

Ein vierter Stolperstein liegt im gesellschaftlichen Diskurs zum Thema. Viele Ansichten, Meinungen und Überzeugungen spielen in diese Diskussion hinein, manchmal geklärt, manchmal unbewusst. Das gilt letztlich nicht nur für Entscheidungsträger oder Lehrpersonen, sondern auch für Eltern, Kinder oder die Gesellschaft im Allgemeinen. Wenn die Fragestellungen dann auf die politische Bühne kommen, wird es nicht selten ideologisch. Lösungen werden immer schwieriger.

Wie kann die Diskussion geführt werden?

«Zwei Schienen» wahrnehmen und Vorteile daraus ziehen

Setzt man die Grundausrichtung der religiösen Bildung in ihrer Ausrichtung auf den beiden «Schienen» um, ergeben sich für alle Beteiligten Vorteile. Es ist damit besser möglich, trotz der «Stolpersteine» doch redlich mit dem Anspruch umzugehen.

Es profitieren fachliche alle Beteiligten

Die Kinder und Jugendlichen profitieren davon, dass sie eine religiös-kulturelle Bildung erhalten und sie damit die Vielfalt der Welt erkennen und deuten können. Sie bekommen die Chance, sich in der heutigen Welt zu orientieren. Staatliche Lehrpersonen können auch entlastet werden vom Beitrag der Kirchen. Und die Kirchen als Träger von Glaubenswissen können ihren gesellschaftlichen Beitrag wahrnehmen, ohne eine «geheime Agenda» der kirchlichen Beheimatung zu verfolgen. Die wichtige kirchliche Beheimatung kann in der Pfarrei, Pastoralraum oder Gemeinde gelebt werden.

«Haltungen stärken», damit Lösungen gefunden werden

Es gilt, dass die kirchlichen Lehrpersonen sowie die staatlichen Entscheidungsträger und Lehrpersonen die gemeinsame «Brille» der «zwei Schienen» aufsetzen, um konkrete Probleme der Planung, Umsetzung und Ausrichtung zu klären. Denn der Teufel liegt ja bekanntlich im Detail. Es braucht Schulräume, Zeitgefässe oder gegenseitige Absprachen. Wenn mit Wohlwollen und Respekt, in gegenseitiger Achtung und Wertschätzung, diskutiert wird, können auch immer Lösungen vor Ort gefunden werden. Dazu braucht es die Bereitschaft aller, manchmal eigene Vorstellungen zu verändern.

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